Was ist eine toxische Beziehung?

 

 

Merkmale einer toxischen Beziehung

Ihr Beziehungspartner hat Sie plötzlich und unerwartet aus einer scheinbar intakten, äußerst intensiven Beziehung heraus verlassen? Sie haben keinerlei Erklärung für sein Verhalten und es geschah ohne das es sich im geringsten angekündigt hat? Sie empfanden sehr starke Liebe für Ihren Partner und er doch auch für Sie? Möglicherweise hatten Sie eine Beziehung mit einem toxischen Menschen. Vielleicht können die nachfolgenden Informationen Ihnen dabei helfen, herauszufinden ob dies bei Ihnen der Fall war.

Toxische Partner geben uns in einer Beziehung zunächst genau das, was wir uns immer schon sehnlichst gewünscht haben und was uns im tiefsten Inneren fehlt. Mit höchster Präzision vermögen sie es, unser Inneres zu „scannen“ und uns dann scheinbar das zu geben das wir brauchen um uns endlich vollständig zu fühlen. Wie bei einem Puzzle ersetzen sie ein oder mehrere fehlende Teile in uns. Scheinbar machen erst sie uns komplett. Dies führt nicht selten zu emotionaler Abhängigkeit. Wir werden geradezu süchtig nach der Liebe dieser Person was auch die heftigen „Entzugserscheinungen“ und den äußerst starken Liebeskummer nach einer Trennung, insbesondere nach einer sich in solchen Fällen oft anschliessenden, typischen On/Off-Beziehung erklärt. Eine solche Beziehung kann zu sehr schweren persönlichen Krisen im Leben des eigentlich nicht psychisch kranken Partners führen.

In toxischen Beziehungen leidet oftmals einer der Partner an einer Persönlichkeitsstörung wie zum Beispiel der instabilen Persönlichkeitsstörung des Typs Borderline, der narzisstischen Persönlichkeitsstörung oder anderen Persönlichkeitsstörung. (Die Links führen zu weiterführenden Informationen über toxische Beziehungen mit Partnern die unter der jeweiligen Persönlichkeitsstörung leiden.)

Der typische Verlauf einer toxischen Beziehung

Die Idealisierungsphase

Es ging alles so unfassbar schnell! Ich bin total glücklich und vor Liebe ganz Irre! Endlich habe ich meine Traumpartnerin/meinen Traumpartner für’s Leben gefunden. Alles in der Partnerschaft passt perfekt. Wir haben die selben Ziele und Interessen, können über alles reden, zusammen lachen und weinen. Ich fühle mich endlich das erste Mal in meinem Leben angenommen und angekommen. Ich habe das Gefühl meinen „Seelenverwandten“ gefunden zu haben denn eine solche perfekte Harmonie in so unglaublich kurzer Zeit lässt keine andere Erklärung zu. Noch nie habe ich ein Gefühl so bombastischer Liebe mit einer solch enormen Intensität verspürt. Noch nie hatte ich solch intensiven Sex und das schon so früh in einer Beziehung. Alles ist in perfekter Harmonie, das habe ich so noch nie erlebt. Diese Beziehung zu meiner Freundin/meinem Freund scheint etwas ganz Besonderes zu sein, denn alles was mir bisher stets fehlte, gibt mir dieser Mensch im Überfluss, ohne auch nur zu fragen. Er kann scheinbar meine Gedanken und Gefühle lesen. Ich fühle mich extrem gut, fast wie auf Droge. Ich habe ein unglaublich großes Glück gehabt diesen Menschen zu treffen! Wir planen schon jetzt detailliert eine gemeinsame Zukunft für viele Jahre im Voraus! Alles ist machbar. Wir sind das perfekte Paar. Unsere Liebe wird ganz sicher niemals enden. Ich könnte vor Glück platzen! Ich liebe. Aufrichtig und in einer Tiefe wie nie zuvor. Und sie/er hat sogar unglaublich große Angst davor von mir verlassen zu werden. Das würde ich doch niemals tun, denn ich liebe sie/ihn doch so unendlich und deshalb wird uns niemals etwas trennen können. Diesen Menschen hat mir der Himmel geschickt, wie einen Engel. Es ist fast zu schön um wahr zu sein! Und genau das ist es dann leider oft auch nicht…

Die Abwertungsphase

Mir geht es noch immer ganz gut. Unsere Beziehung läuft im Großen und Ganzen ganz OK. War ja klar, dass einige der Schmetterlinge irgendwann den Bauch verlassen. Das ist ja nach dem anfänglichen Strohfeuer in jeder Partnerschaft so. Einzelne Probleme tauchen auf und es gibt ungewohnt heftigen und häufigen Streit. Ich werde persönlich angegriffen, fertig gemacht und abgewertet. Aber hey, danach gibt es immer unglaublich intensiven Versöhnungssex und es gibt nichts was wir nicht gemeinsam schaffen könnten und ich will ja unbedingt die gute Zeit der perfekten Harmonie zurück. Und deshalb halte ich diese Phase der Abwertung durch, auch wenn sie fast nicht zu ertragen ist und meine Grenzen längst überschreitet. Mein Engel hatte ja auch eine sehr schlimme Kindheit und vor der Zeit mit mir immer nur Pech im Leben… Das erklärt und endschuldigt sein Verhalten. Es war doch alles so gut und das mit uns ist doch für immer, für die Ewigkeit. Und sie/er ist ja so unglaublich eifersüchtig auf jede/jeden. Sie/er muss mich einfach lieben. Wenn nur die zeitweiligen Zweifel und eigenartigen Gefühle im Bauch nicht da wären. Ich habe unendlich große Angst sie/ihn zu verlieren. Der Mensch verhält sich in letzter Zeit etwas eigenartig. Ich fange an mein Glück gelegentlich zu hinterfragen. Ich will doch nur, dass es wieder so intensiv wird wie es am Anfang war. Dafür bin ich bereit alles zu tun und auch zu leiden, denn mein Engel kann ja nichts dafür. Es ist sicher nur eine kurze Phase. Das wird schon wieder. Ich werde meinem Schatz helfen und ihn da heraus lieben, koste es mich was es wolle…

Das Finale / Der Abschuss

Gestern war noch alles gut bis perfekt. Es gab kein Anzeichen für irgendein ernsthaftes Problem in unserer Beziehung. Wir hatten sogar am Abend zuvor noch mega-intensiven Sex und sie/er sagte noch zu mir, unsere Liebe wird niemals enden und er/sie werde mich niemals verlassen! Der Mensch hat sich aber dann am nächsten Tag völlig unerwartet und ohne Vorwarnung von jetzt auf gleich von mir getrennt. Ohne erkennbaren Grund! Es ist vorbei! Absolute Leere! Absoluter Horror! Ich bin plötzlich ganz allein und einsam auf eine Art, die ich so vorher nicht kannte. Es zerreißt mich innerlich und ich fühle mich total zerstört. Ich fühle mich seit diesem schwarzen Tag schwach, zutiefst verletzt und vollkommen desillusioniert. Alle Hochgefühle sind verschwunden, einfach weg. In mir ist nur noch Schmerz. Ich habe Angst vor der Zukunft ohne meinen Partner, denn sie/er gab mir doch alles was mir immer schon fehlte. Wie soll ich je wieder ohne all das leben? Und jetzt fehlt mir noch viel mehr als vor der Beziehung, denn sie/er hat es mitgenommen. Ich glaube ohne das kann ich einfach nicht mehr leben. Es fühlt sich an, als wenn der mir liebste Mensch völlig unerwartet gestorben wäre. Aber er lebt und er führt sein Tagesprogramm weiter, als wenn überhaupt nichts geschehen wäre. Unfassbar! Ich war doch für sie/ihn auch der wichtigste Mensch in ihrem/seinem Leben und er/sie hatte solch große Angst, dass ich ihn verlassen könnte. Und er war doch so extrem eifersüchtig. Bis zur letzten Minute. Das passt doch alles nicht zusammen. Was ist da passiert? Wie kann sie/er mir das antun, so ganz ohne jegliches Mitgefühl? Es tut unendlich weh, diesen Menschen verloren zu haben und zu sehen, dass es ihm gar nichts auszumachen scheint, dass es mit uns vorbei ist. Sie/Er ist sofort wieder in einer neuen Beziehung! Und da wiederholt sich genau das gleiche Spiel wie bei uns. Ich war also gar nichts besonderes für diesen Menschen!? Das tut so unendlich weh und es ist kaum auszuhalten. War alles mit uns nur eine große Lüge? Ich glaube ich will nicht mehr leben.

Ähnliche wie oben beschriebenen Phasen sind typisch für toxische Beziehungen. Toxische Beziehungspartner haben die Fähigkeit uns genau das, was wir uns im tiefsten Inneren seit unserer Kindheit herbeisehnen zu geben. Sie agieren höchst manipulativ und hinterlassen stets verbrannte Erde. Für die Ex-Partner bricht förmlich die Welt zusammen. Toxische Personen können mit äußerster Präzision und in unglaublicher kurzer Zeit „erfühlen“ was uns auf tiefster, unbewusster Ebene emotional fehlt und uns dann genau das intensiv geben. Sie scheinen uns hierdurch zu vervollständigen. In sofern sind diese Menschen extrem empathisch, auch wenn sie dann nach der Idealisierungsphase keinerlei Empathie zeigen, wenn es um die Gefühle ihrer Partner geht.

Jeder Mensch hat emotionale Defizite, die meist in frühester Kindheit entstehen. Der eine mehr, der andere weniger. Das kann zum Beispiel das Bedürfnis nach Nähe sein, welches in der Kleinkindphase nicht ausreichend befriedigt wurde. Der toxische Partner kann diese Bedürfnisse erspüren und mit unglaublicher Intensität befriedigen, was dann das äußerst gute Gefühl der Vollständigkeit vermittelt, welches noch nie zuvor in solcher Stärke empfunden wurde. Leider aber ist diese Bedürfnisbefriedigung von Außen nur in der frühkindlichen Phase nachhaltig möglich. Wenn diese Lücken in der Phase bis ins Kleinkindalter nicht von außen gefüllt wurden, können sie im Erwachsenenalter lediglich noch temporär von außen gestillt werden. Und genau hier liegt das Problem. Denn was sich am Anfang einer toxischen Beziehungen so großartig anfühlt, ist das temporäre Befüllen dieser „Bedürfnisdepots“. Wenn der toxische und in der Regel stark egozentrische Partner sich dann völlig unerwartet trennt, sind diese Depots ganz plötzlich noch viel leerer als sie es jemals zuvor waren, bevor man diesen Menschen gekannt hat.

Hinzu kommt noch, dass sich in einer solchen vergifteten Partnerschaft in der Regel eine sogenannte toxische Liebessucht zum persönlichkeitsgestörten Partner entwickelt, die meist aufgrund einer sich in vielen Fällen anschließenden On/Off-Beziehung entsteht bzw hierdurch potenziert wird. In der Hoffnung, dass der egozentrische Partner sich ändert und da dieser auch verspricht dies zu tun, versuchen es beide noch einmal miteinander, damit alles wieder „gut“ wird. Leider dauert es häufig nicht lange, bis eine noch stärkere Abwertung stattfindet und eine erneute Trennung vom psychisch kranken Partner initiiert wird. Nach einiger Zeit kommt es dann erneut zu einem weiteren Beziehungsversuch und nicht selten gibt es in diesen Beziehungen sehr viele dieser Versuche. Die Zyklen und die Hochphasen werden in der Regel aber immer kürzer. Eine Liebessucht entwickelt sich dann beim Pluspol der Partnerschaft aus dem Wunsch heraus, das „High“ wie am Anfang der Beziehung wieder zu erleben und hierdurch seine Bedürfnisdepots, wenn auch nur kurzfristig, wieder füllen zu können, wie ein Junkie der auf den nächsten Schuss wartet. Beim Minuspol der Beziehung führen andere Mechanismen dazu, dass er sich immer wieder bei seinem bedürftigen Partner meldet und Besserung gelobt, er aber nichts an seinem Verhalten ändert sondern es im Gegenteil sogar noch verstärkt.

Ich möchte an dieser Stelle ganz klar stellen, dass toxische Menschen in der Regel nicht aus Bosheit handeln, sondern weil sie schwer krank sind. Sie haben oft sehr schlimme Dinge erleben müssen und wurden meist Opfer von Misshandlungen oder Missbrauch nicht selten durch Mitglieder der eigenen Familie in der frühen Kindheit. Es handelt es sich sehr häufig um Personen mit emotional instabiler Persönlichkeitsstörung (Borderline) oder mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung. Es ist aber generell völlig unerheblich, welche Diagnose der toxische Mensch haben mag, denn die Auswirkungen für seine Beziehungen, seine Umwelt und auch für sein eigenes Leben sind nahezu immer gleich katastrophal. Es kann mitunter äußerst schädlich sein in einer toxischen Beziehung zu verweilen, denn dies führt nicht selten dazu, dass der bis dahin im Grunde gesunde Partner schwer psychisch und körperlich erkrankt.

Als Erwachsener Mensch kann man, wie bereits erwähnt, die in der Kindheit entstandenen Bedürfnislücken nicht von Außen dauerhaft schließen. Nur durch einen intensiven, nachhaltigen Prozess des Erlernens gesunder Selbstliebe ist es möglich, im Erwachsenenenalter diese Lücken selbst und von innen zu schließen. Man kann so sein verletztes „inneres Kind“, welches ermöglichte, dass unbewusst die Verbindung zu einem toxischen Menschen gesucht wurde und womöglich auch weiterhin gesucht würde dadurch heilen, dass man sich selbst das gibt, was man im Außen gesucht hat.

Sehr häufig werden die zuvor genannten Persönlichkeitsstörungen thematisiert, jedoch ist sehr wenig über das Schicksal der zahlreichen Partner von Menschen mit diesen Persönlichkeitsstörungen, die oft sehr viel Leid ertragen müssen zu lesen. Es gibt nur sehr wenige Hilfsangebote für die Partner dieser schwer kranken Menschen. Es scheint sich um einen blinden Fleck im Bereich der Psychopathologie zu handeln und die zum Teil schwer traumatisierten Partner die solche Beziehungen hinterlassen, werden allein gelassen und oft nicht einmal von Therapeuten verstanden, bei denen sie sich möglicherweise Hilfe suchen.